Zypresse: Ein trauriges Holz

Cupressus sempervirens (Mittelmeer-Zypresse). Foto: Lazaregagnidze CC BY-SA 3.0


Die Mittelmeer-Zypresse (Cupressus sempervirens) wird in den Primärquellen am häufigsten als jene Holzart genannt, die sich am besten als Material für die Pfeifen der organi di legno eignet. Die Pflanzenfamilie, der Cupressus sempervirens angehört, ist sehr alt. Neueste Forschungen führen ihre Ursprünge bis in das Mesozoikum und den Superkontinent Pangaea zurück.

In der antiken römischen Literatur symbolisieren Zypressen oft Tod, Trauer oder Verlust. Der materielle Ursprung dieser Assoziation könnte mit dem ausgeprägt würzigen Duft der immergrünen Zypresse zusammenhängen, der vermutlich bei Begräbnissen verwendet wurde, um den Geruch des Todes zu überdecken.[1] In der Frühen Neuzeit blieb die Assoziation von Tod und Zypressenholz in Gestalt der organi di legno bestehen. Die Orgeln wurden im 17. Jahrhundert bevorzugt zur Begleitung dramatischer Unterwelts- oder Todesszenen in Opern- und Theateraufführungen eingesetzt.

Querschnitt eines Zypressenholzes.  Foto: Deutsches Museum, K. Rainer, MatMu-3 CC BY-SA 4.0

Schnittholz einer Zypresse. Foto: Deutsches Museum, K. Rainer, MatMu-4 CC BY-SA 4.0

Claudio Monteverdis L’Orfeo


Die 1607 in Mantua uraufgeführte Oper L’Orfeo von Claudio Monteverdi wird noch heute vermehrt von Ensembles gespielt, die sich auf historische Aufführungspraxis spezialisiert haben. Ihre Besetzung sieht zwei organi di legno („duoi Organi di legno“) vor. Wie sich aus Anweisungen im Notentext erschließen lässt, wurde eines dieser beiden Instrumente zur Begleitung dramatischer Schlüsselmomente der Oper eingesetzt. „Ahi, acerbo“, die dramatische Verkündung des Todes der Euripide durch den Boten gehört dazu, ebenso wie „Tu se‘ morta“, das Lamento des Orpheus, nachdem er vom Tod seiner Geliebten erfahren hatte. Auch „Possento spirto“, das berühmte Lied, mit dem Orpheus den Fährmann Charon dazu zu überreden versucht, ihn in die Unterwelt zu bringen, wird von der Holzorgel begleitet.

Ungeachtet der wichtigen Rolle, die die organi di legno für Monteverdis L’Orfeo und andere Kompositionen der frühneuzeitlichen italienischen Musik spielten, werden sie heutzutage nur selten bei historisch informierten Aufführungen eingesetzt. Da nur sehr wenige organi di legno aus dieser Zeit überliefert sind, ist es schwierig, ein geeignetes historisches Vorbild zu finden, um das Instrument zu rekonstruieren. Erschwerend kommt hinzu, dass die wenigen erhaltenen organi di legno in den nachfolgenden Jahrhunderten teilweise stark verändert wurden.

Claudio Monteverdi, L’Orfeo (Venedig: Vincenti, 1609). Titelseite. (Frei zugänglich)

Claudio Monteverdi, L’Orfeo (Venedig: Vincenti, 1609). Besetzungsliste der Personen (links) sowie der Instrumente (rechts). (Frei zugänglich)

In der Mitte der Besetzungsliste steht die Angabe „Duoi Organi di legno“. Unter den Instrumenten befinden sich außerdem zwei Cembali, eine zweiseitig bezogene Harfe, Gamben und Violinen verschiedener Größen, Chitarroni (auch als Theorben bekannt), Posaunen, Hörner, ein Regal (eine Kleinorgel, die nur über eine einzige Reihe Zungenpfeifen mit kurzen Resonatoren verfügt), gedämpfte Trompeten sowie eine Sopranblockflöte.

 

[1] Catherine Connors, „Seeing Cypresses in Virgil“, in: The Classical Journal 88.1 (1992), S. 1–17, hier S. 1.

Zitierweise: Leon Chisholm, „Klangholz und Holzklang: organo di legno“, in: Materialität der Musikinstrumente. Eine virtuelle Ausstellung.

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