Stephanie Probst

Spielen wie Paderewski, Chaminade und Co.:
Musikpädagogik mit Notenrollen für das Pianola

Verschiedene Werbeanzeigen von 1913 suggerieren, dass man durch die Anschaffung eines Pianolas geradezu selbstverständlich auch den beliebten polnischen Pianisten (und Politiker) Ignacy Jan Paderewski (1860-1941) als Lehrer erwerben könnte. Tatsächlich war Paderewski von Anbeginn ein emphatischer Befürworter der technischen und pädagogischen Errungenschaften dieses neuen Musikinstruments, das es jedem ermöglichen sollte, im eigenen Wohnzimmer auf höchstem Niveau selbst zu musizieren. Natürlich blickte der gefeierte Pianist dann doch nicht all jenen persönlich über die Schulter, die sich am pianistischen Repertoire des 19. Jahrhunderts versuchten. Und dennoch gab es eine mehr oder weniger direkte Verbindung zum „großen Meister“, die die Spielenden am Pianola ans Musikmachen heranführen sollte.

„Lassen Sie sich von Paderewski unterrichten!“

Werbeanzeige der Aeolian Company, „Let Paderewski teach you“, St. Louis Post, Dec. 2, 1913: 6. Bild mit Genehmigung von Newspapers.com.

Werbeanzeige der Aeolian Company, „Paderewski is your teacher“, The Illustrated London News, Apr. 12, 1913. Foto: © Illustrated London News Group, British Newspaper Archive; The British Library Board.

Wie sollte das funktionieren?
Und was ist das Pianola?

Beim Pianola handelt es sich um ein pneumatisch betriebenes Instrument, auf dem man seit ca. 1900 Musik mit Hilfe von gestanzten Papierrollen spielen kann. Die pneumatische Vorrichtung und Halterung der Notenrollen kann entweder als "Vorsetzer" vor ein reguläres Klavier geschoben werden oder war bereits in dieses eingebaut. 

Die Notenrollen kodieren die Musik. Im Instrument laufen sie über einen Skalenblock mit bis zu 88 Löchern. Jedes der Löcher entspricht einem Ton der Klaviatur und ist an ein kleines pneumatisches System mit Schläuchen und Ventilen gekoppelt, in dem Unterdruck herrscht. Sobald ein Loch in der Notenrolle den Luftfluss freigibt, wird der pneumatische Mechanismus aktiviert und der entsprechende Ton angeschlagen.

Zum Abspulen der Rolle, sowie zur Erzeugung des Unterdrucks im System, tritt der Spieler/die Spielerin die Pedale. Je stärker er/sie tritt, desto mehr Luftfluss wird generiert, und umso kräftiger aktiviert der Mechanismus die zu klingenden Töne. Durch das Treten der Pedale lassen sich also Unterschiede in der Klangfarbe und Dynamik und auch leichte Akzente einzelner Töne gestalten. Somit haben Spielende bereits eine gewisse Kontrolle über das Klangereignis.

Werbeanzeige „Das Pianola mit dem Metrostyle“, 1905.


Darüber hinaus patentierte die Aeolian Company, eine U.S.-amerikanische Firma für mechanische Musikinstrumente, die auch das erste Pianola auf den Markt brachte, 1903 den sogenannten Metrostyle. Diese Erfindung stellt das Kernstück der obigen Werbeanzeigen dar. Der Metrostyle umfasst zwei Teile. Zunächst befindet sich am Instrument ein Handhebel, durch den sich Veränderungen im Abspieltempo der Notenrolle regulieren lassen.


Während die Rolle abspult, kann der/die Spielende in die Musik eingreifen, eine kulminierende Beschleunigung oder Momente des Innehaltens bewirken, oder regelmäßigere zeitliche Schwankungen („rubato“) gestalten, durch die eine musikalische Interpretation zum Leben erweckt wird.

Zur Hilfestellung war auf die Notenrollen eine rote Linie aufgezeichnet, der man mit dem Handhebel folgen kann. Eine Abweichung nach rechts bewirkt eine Beschleunigung, eine nach links ein langsameres Tempo. Durch die Metrostyle-Linie ist also eine bestimmte musikalische Interpretation vorgegeben, die man auch ohne musikalisches Vorwissen beim Spielen einfach umsetzen kann. Selbstverständlich kann man die Linie aber auch ignorieren und eigenständig die Aufführung gestalten.

Eine ausführliche Darstellung des Pianolas und seiner Geschichte bietet auch das Pianola Institute.

Zitierweise: Stephanie Probst, „Spielen wie Paderewski, Chaminade und Co.: Musikpädagogik mit Notenrollen für das Pianola“, in: Materialität der Musikinstrumente. Eine virtuelle Ausstellung.

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