Vom Labor in die Konzerthalle
Die Geburt des Trautoniums
Während Sala und das Trautonium sich gemeinsam im kulturellen Gedächtnis verankerten, war es tatsächlich Friedrich Trautwein (1888–1956), ein deutscher Erfinder und Ingenieur, der das nach ihm benannte Trautonium entwickelte. Er arbeitete in der Rundfunkversuchsstelle (kurz RVS) der Berliner Staatlichen Hochschule für Musik an der Entwicklung eines elektronischen Musikinstruments, um Klangfarben zu studieren und Musik per Radio zu senden.
Der 1929 von Trautwein entwickelte Prototyp besitzt ein Spielmanual, bestehend aus einer Metallschiene und einem darüber gespannten Widerstandsdraht. Damit verbunden ist ein Relaxationsoszillator, der obertonreiche Sägezahnschwingungen erzeugt. Drückt die Spielerin oder der Spieler den Draht an die Schiene, schließt sich der Stromkreis – die Höhe des erklingenden Tons wird durch die Position des Fingers bedingt, da diese den Widerstand und somit die Frequenz der Oszillatorschaltung steuert. Durch den Mischcharakter aus Saiten- und Tasteninstrument, bietet die Spieloberfläche ein kontinuierliches Tonspektrum. Im Vergleich dazu blieb die Mehrheit der elektronischen Instrumente dieser Zeit bei der klassischen Tastatur mit zwölf Tönen pro Oktavabschnitt. Eben dieses Merkmal weckte das Interesse des Komponisten Paul Hindemith (1895–1963) an Trautweins raffinierter Konstruktion. Hindemith lehrte zu dieser Zeit an der Hochschule und wurde zu einer Schlüsselfigur in der Entwicklung des Instruments: Er war der erste prominente Musiker, der für das Trautonium komponierte. Vielleicht noch bedeutender war, dass Hindemith Trautwein seinen Schüler Oskar Sala vorstellte, der daraufhin Trautwein bei der Weiterentwicklung des Prototyps unterstützte.[2]
Erste Töne auf dem Trautonium
Das Trautonium feierte sein Debüt 1930 auf dem Festival Neue Musik Berlin. Anlässlich seiner Einweihung komponierte Hindemith Des kleinen Elektromusikers Lieblinge, eine Sammlung von sieben kurzen Stücken für drei Trautonien. Aufgeführt wurden sie durch Hindemith selbst, Sala und den Pianisten Rudolf Schmidt.[3]
Paul Hindemith: 7 Triostücke für 3 Trautonien
Enthalten in Oskar Sala: Elektronische Impressionen
CD, Erdenklang, 1998.
Originale Schallplattenaufnahme von 1977.
Einzelstücke (Bezeichnungen nach Hindemiths Manuskript)
- Langsam
- Langsam (Fernwerk)
- Mäßig bewegt
- Breit
- Mäßig schnelle Achtel
- Lebhaft
- Langsam
[2] Für detailliertere Informationen zu der frühen Entwicklung des Trautoniums siehe Peter Donhauser, Elektrische Klangmaschinen. Die Pionierzeit in Deutschland und Österreich, Wien 2007; Thomas Patteson, Instruments for New Music. Sound, Technology, and Modernism, Oakland 2016, S. 114–151. Benedikt Brilmayers Dissertation baut auf der Arbeit von Donhauser auf und erweitert sie durch die gründliche Durchsicht von Archivmaterialien des Deutschen Museums in München und der Universität der Künste in Berlin. Benedikt Brilmayer, Das Trautonium. Prozesse des Technologietransfers im Musikinstrumentenbau, Diss. Augsburg 2017, online verfügbar unter: https://opus.bibliothek.uni-augsburg.de/opus4/frontdoor/index/index/docId/4059.
[3] Für Salas persönlichen Bericht über seine Erfahrungen vor dem Debüt des Trautoniums und seine Darbietung auf dem Instrument siehe Peter Badge, Oskar Sala. Pionier der elektronischen Musik, Göttingen 2000, [unpaginiert].
Zitierweise: Julin Lee, „Subharmonische Fantasien: Das Vermächtnis von Oskar Sala und dem Mixturtrautonium“, in: Materialität der Musikinstrumente. Eine virtuelle Ausstellung.