Eine hölzerne Orgel in einer Silbernen Kapelle
Eine der wenigen erhaltenen organi di legno, eine Orgel anonymen Ursprungs, befindet sich in der Silbernen Kapelle der Hofkirche Innsbruck. Das Instrument wurde um 1580 in Italien gebaut und dann über die Alpen nach Innsbruck gebracht – vermutlich als Geschenk für Anna Caterina Gonzaga von Mantua anlässlich deren Hochzeit mit Erzherzog Ferdinand II. im Jahr 1582. Da nur wenige Exemplare der vormals weit verbreiteten und vielseitig einsetzbaren organi di legno erhalten sind, handelt es sich bei der Innsbrucker Orgel um eine Art historisches Nadelöhr. Sie wurde im 20. und 21. Jahrhundert zum wichtigsten historischen Vorbild für Rekonstruktionsversuche.[2]
Bei der Innsbrucker Orgel handelt es sich jedoch keineswegs um ein typisches organo di legno. Das Instrument ist fest in die Kapelle eingebaut und verfügt über sieben Pfeifenreihen – womit es entschieden größer als die kleinen, transportablen organi di legno ist, die von Nicola Vicentino oder dem anonymen Autor von Il Corago beschrieben wurden. Und obwohl die Orgel höchstwahrscheinlich zur Begleitung von Gesangsstücken eingesetzt wurde, deutet ihr Platz in der Kapelle einer großen Kirche darauf hin, dass sie keine Verwendung in der Theatermusik fand.
Wie bei den meisten Orgeln dieses Alters der Fall, war auch dieses organo di legno während der nachfolgenden Jahrhunderte diversen schwerwiegenden Veränderungen ausgesetzt. Insbesondere im 20. Jahrhunderten waren die Eingriffe beträchtlich. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs war die Orgel demontiert und erst zwischen 1950 und 1952 wiederaufgebaut worden. Im Rahmen einer Restaurierung waren Pfeifen verschiedener Register miteinander vermischt worden, was eine beträchtliche Wirkung sowohl auf deren Klangfarbe als auch auf deren Stimmung hatte. Während der Restaurierung wurden außerdem alle Pfeifen der Fiffera (ein leicht scharf gestimmtes Register, das einen schlagenden, vibratoähnlichen Effekt erzielen konnte) dezimiert, um somit fehlende Pfeifen im Prinzipal, der Oktave oder der Superoktave ersetzen zu können. Kurze Zeit nach dieser problematischen Restaurierung untersuchte der österreichische Musikwissenschaftler Josef Mertin die Innsbrucker Orgel mit der Absicht, ein neues organo di legno zu bauen.
In den 1990er-Jahren wurden weitere Restaurierungen am Innsbrucker organo di legno vorgenommen, mithilfe derer einige Fehler aus den 1950er-Jahren behoben werden konnten. Obwohl uns die Orgel in ihrem jetzigen Zustand eine ungefähre Vorstellung davon geben kann, wie dieses organo di legno in der Frühen Neuzeit geklungen haben mag, lässt sich nicht sagen, inwiefern sich unser heutiges Hörerlebnis vom ursprünglichen Klang der Orgel unterscheidet. Denn selbst wenn wir ihren originalen Klang vernehmen könnten, würde er dennoch lediglich ein – und dazu noch ein eher unkonventionelles – Exemplar der organi di legno abbilden. Bei der Innsbrucker Orgel handelt es sich um ein wichtiges, jedoch kompliziertes Beweisstück.
[2] Für mehr Informationen über das Innsbrucker organo di legno siehe Gerardus de Swerts, Pier Paolo Donati u. Reinhard Böllmann, „Die italienische Orgel der Silbernen Kapelle – Beschreibung, Restaurierung, Spurensicherung“ und dies., „Organo di legno – Überlegungen zu Typus und Provenienz des Innsbrucker Instruments“, in: Die Orgeln der Hofkirche in Innsbruck, hg. v. Kurt Estermann, Bd. 2, Tiroler Orgelschatz 5 (Innsbruck, Esslingen, Bern-Belp: Helbling 2019), S. 64–159 u. 160–169.
Zitierweise: Leon Chisholm, „Klangholz und Holzklang: organo di legno“, in: Materialität der Musikinstrumente. Eine virtuelle Ausstellung.