Süße und Reinheit: die Flöte
Im 19. Jahrhundert wurden Flöten auch aus Glas hergestellt. Das überwiegend klingende Material dieser Instrumente ist aber nicht das Glas, sondern die Luft: Die schwingende Luftsäule ist das klingende Medium. Das Material, aus dem das Instrument gebaut ist, beeinflusst zumindest die Dicke der Instrumentenwand, die Form der Schallwelle und oftmals den Spieleindruck der Musikerinnen und Musiker.
Die erste Hälfte des 19. Jahrhundert war eine Zeit der intensiven Forschung zur Verbesserung der Flöte was Form und Material angeht. Geforscht wurde zur Position der Tonlöcher, der Innenbohrung des Korpus sowie der Mechanikteile. Ziele waren Gleichmäßigkeit aller Töne, chromatische Bandbreite, Haltbarkeit der Stimmung, brillanter Klang, Lautstärke, teils gute Witterungsbeständigkeit. Die berühmtesten Versuche und Erfolge werden Theobald Boehm mit der Ringklappenflöte 1832 und 1847 mit Einführung der zylindrischen Silberflöte zugeschrieben. Doch auch andere experimentierten, nicht zuletzt mit Materialien.
Bereits 1806 verfertigte und präsentierte Claude Laurent in Paris eine Glasflöte, die in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich war.[2]
Neben den praktischen Vorteilen von Glas, nämlich der Haltbarkeit der Stimmung, der Resistenz gegen Feuchtigkeit und der weitgehenden Unempfindlichkeit Temperaturschwankungen gegenüber, bieten diese Instrumente einen Blick in die Innenbohrungen des Instruments und offerieren die neu erfundenen Verbindungstechniken mit den Silberapplikaturen dem interessierten Auge.[3] Diese Instrumente sind spielbar, aber haben zu einem bedeutenden Anteil auch repräsentativen Charakter.
Was den Ton der Glasflöten angeht, wird seine Klarheit und Reinheit gelobt. Zudem gehöre zu den Eigenschaften des Materials, dass es Klänge der Süße erzeuge und für besonders leichte Spielbarkeit sorge. So schreibt der US-amerikanische Physiker, Flötenspieler und -sammler Dayton C. Miller: “[…] the inventor has discovered that cristal (glass) is a proper material, as it gives sounds of the sweetness and purity desired, and also renders the tones invariable, and makes the instrument convenient and easy to play.”[4]
Einen großen Anteil an der Erzeugung der entsprechenden Klangeigenschaften haben sicherlich die Verarbeitungsmöglichkeiten von Glas: die entsprechende Wanddicke sowie die Möglichkeiten, das Glas innen und außen am Flötenrohr zu polieren.
Dreiteilige konische Querflöte mit 4 Klappen, Inv.-Nr. 58531
Zur Sammlung des Deutschen Museums gehört neben einer Glasflöte von Laurent auch eine konische dreiteilige Querflöte in D mit 4 Neusilber-Klappen (Dis, F, Gis, B) aus der Zeit um 1860; der Hersteller ist nicht bekannt. Der Stimmton beträgt 435 Hz. Fünf Beschläge sind aus Neusilber gefertigt – einer Legierung aus Kupfer, Nickel und Zink. Oberhalb des Mundlochs ist das Flötenrohr mit einem fixierten Glaspfropfen verschlossen.
Die Aufnahme der Glasflöte fand am 30. Juli 2018 im ehemaligen Tonstudio im Archiv des Deutschen Museums statt. Um den Raum möglichst schallarm zu halten, wurden die darin befindlichen Metallregale beschwert und der Nachhall gemessen. Es war 28,3°C warm, die Luftfeuchtigkeit betrug 46 %. Je kälter es ist, umso tiefer erklingt ein Instrument und ein trockener Raum transportiert den Schall besser.
Rüdiger Herrmann spielte die Einzeltöne in unterschiedlicher Dynamik für die Sample library sowie drei Musikstücke ein. Zwei Mikrophone waren je neben den Ohren des Musikers angebracht, ein drittes Mikrophon stand etwa 30 cm vor ihm.
Das Spiel legt die Eigenheiten der Flöte offen: Einige Töne sprechen sehr gut an, doch die Intonation der Flöte ist nicht ideal, besonders nicht in ihrer Grundtonart D-Dur. In der dreigestrichenen Oktave sind nur die Töne d, dis, e, fis, g und a spielbar.
Zum Vergleich spielte Rüdiger Herrmann dieselben Stücke im selben Setting auf einer Holzflöte in C (Ebenholz/Grenadille) aus seinem eigenen Besitz. Sie stammt etwa von 1880, hat mehrere Klappen nach dem Meyer-System (C'', B (kurz/lang), Gis, F (kurz/lang), Dis, Cis, C, lange Trillerklappe D''') und ihr Kopfstück ist innen mit Messing ausgekleidet.
Uns erscheint der Klang der Holzflöte deutlich obertonreicher und runder, aber hören und vergleichen Sie selbst:
Glasflöte (Inv.-Nr.: 58531)
Holzflöte in C, ca. 1880
Spielen Sie die Glasflöte doch einmal selbst hier.
Zur Materialanalyse der Querflöte aus Glas (Inv.-Nr. 58531) geht es hier.
Zitierweise: Rebecca Wolf, „Glasklänge oder die Faszination der Transparenz“, in: Materialität der Musikinstrumente. Eine virtuelle Ausstellung.