Eine motorisierte Version

Glasharmonika, Gerhard Finkenbeiner, Waltham, Mass. (USA) 1983, Inv.-Nr. 1988-1

Tiefe Glasschalen, Glasharmonika, G. Finkenbeiner, 1983 (Inv.-Nr. 1988-1). (Bitte angeben) Foto: Deutsches Museum, R. Krause CC BY-SA 4.0

Die Begeisterung für die Glasharmonika nahm in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ab. Zur musikalischen Umsetzung außergewöhnlicher und übernatürlicher Effekte wurde sie noch eingesetzt, so von Gaetano Donizetti in der berühmten Wahnsinns-Szene im 3. Akt der Lucia di Lammermoor (UA 1835 Neapel). Später verwendete sie Richard Strauss in der Frau ohne Schatten (UA 1919 Wien) zur klanglichen Darstellung der Worte „Kristall“ und „Sternenglanz“. In beiden Fällen wurde sie in der Uraufführung jedoch nicht gespielt, sondern durch ähnlich klingende Instrumente wie die Flöte ersetzt. Geeignete Instrumente und Spieler*innen zu finden, war zu dieser Zeit schon nicht mehr leicht.

Ein regelrechtes Revival erleben Glasinstrumente in den vergangenen Jahrzehnten. Ein Beispiel dafür sind Instrumente der US-amerikanischen Ostküste. Der Glasbläser Gerhard Finkenbeiner (1930–1999) beschäftigte sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit dem damals in Vergessenheit geratenen Instrument. Er entwickelte eine moderne Version mit Quarzglas und Elektromotor. Finkenbeiner stellte zudem Glasapparaturen für Chemielabore her.

Eine Glasharmonika Finkenbeiners befindet sich seit 1988 im Deutschen Museum. Sie hat einen Tonumfang von c1 bis e3. 29 Glaskalotten sind auf einer Achse angebracht und über Korkmanschetten befestigt. Goldstreifen im Innern der Glasschalen markieren die Halbtöne. Das Instrument ist spielbar, allerdings hat die Achse eine leichte Unwucht, was die tiefen Schalen zum Rutschen bringen kann.

Gesamtansicht der Glasharmonika (Inv.-Nr. 1988-1). Spielansicht mit Regelknöpfen am Motor rechts zur Geschwindigkeitsregulierung (Bitte angeben) Foto: Deutsches Museum, R. Krause CC BY-SA 4.0

Konservatorische Analyse mit dem Mikroskop zur Feststellung der Spielfähigkeit. Hanna Kirst. (Bitte angeben) Foto: Deutsches Museum, R. Wolf CC BY-SA 4.0

Konservatorische Analyse mit dem Mikroskop zur Feststellung der Spielfähigkeit. Hanna Kirst. (Bitte angeben) Foto: Deutsches Museum, R. Wolf CC BY-SA 4.0

Vorbereitung der Aufnahme. Rebecca Wolf, Bruno Kliegl, Hanna Kirst. (Bitte angeben) Foto: Deutsches Museum, J. Lee CC BY-SA 4.0


Eine Aufnahme fand am 1. August 2018 in einem Depot des Deutschen Museums statt. Der Augsburger Musiker und Musikwissenschaftler Bruno Kliegl spielte neben Einzeltönen die Maria Theresia von Paradis zugeschriebene Sicilienne und ein Largo in g-Moll von Johann A. P. Schulz ein. Von den 12 zur Auswahl stehenden Geschwindigkeitsstufen des Motors eignete sich die fünfte am besten.  

Musikbeispiele

M-T. v. Paradis: Sicilienne. (Bitte angeben) Video: Deutsches Museum, B. Kliegl CC BY-SA 4.0

J. A. P. Schulz: Largo in g-Moll. (Bitte angeben) Video: Deutsches Museum, B. Kliegl CC BY-SA 4.0


Spielen Sie die Glasharmonika doch einmal selbst hier.


Zur Materialanalyse der Glasharmonika geht es hier.

Ausblick

Zusätzlich zur akustischen und materialtechnischen Untersuchung wurden die klingenden Glasschalen der Harmonika mit einem Laser-Doppler-Vibrometer untersucht. Prof. Dr. Christian Große und Manuel Raith von der TU München stellten das Gerät sowie ihre Expertise bereit, um die mechanische Schwingung der Glasschalen zu vermessen. Glas ist allerdings aufgrund seiner Transparenz eine besondere Herausforderung für dieses Messverfahren, da optische Reflexion für den Laser grundlegend ist. Die Goldränder der Schalen wurden anvisiert. Gemessen wurden die Eigenresonanz des Materials sowie die Auslenkung der Schalen während der Drehung. Eine Auswertung der Daten steht noch aus. Einen ersten Anhaltspunkt liefert die Auslenkung der tiefen Schalen mit etwa 50 Mikrometer. Idealerweise schließen sich Messungen ähnlicher Instrumente mit opaken Oberflächen an.

Manuel Raith (rechts im Bild) von der TU München beim Einstellen des Laser-Doppler-Vibrometers. Am Instrument: Bruno Kliegl. (Bitte angeben) Foto: Deutsches Museum, R. Wolf CC BY-SA 4.0

Messungen mit dem Laser-Doppler-Vibrometer, zu erkennen am roten Lichtpunkt auf dem Instrument. Auch im Bild: das optische Mikrophon in der roten Halterung. (Bitte angeben) Foto: Deutsches Museum, R. Wolf CC BY-SA 4.0

Weiterführende Literatur

George Bissinger, David Oliver: „3-D Laser Vibrometry on Legendary Old Italian Violins“, in: Sound and Vibration (Juli 2007), S. 10-14.

Gerhard Finkenbeiner, Vera Meyer: „The Glass Harmonica: A Return from Obscurity“, Leonardo 20 (1987) 2, S. 139–142.

Conny Restle: „Richard Strauss und die Glasharmonika“, in: Musica instrumentalis 1 (1998), S. 24–46.

Zitierweise: Rebecca Wolf, „Glasklänge oder die Faszination der Transparenz“, in: Materialität der Musikinstrumente. Eine virtuelle Ausstellung.